Venedig – eiskalt und reizend

Anfang des Jahres eine Fotoreise zu machen ist ja mittlerweile fast eine kleine Tradition bei mir. Vom letzten Jahr aus bekannten Gründen mal abgesehen. 2009 war es die unvergessene Mallorcareise, bis heute unerreicht. 2010 war das Ziel Prag, eine Reise, die ihre Wirkung erst nachträglich entfaltete – wenn ich mal voraussetze, dass es nicht Altersmilde oder beginnende Demenz ist, die mich rückwirkend vieles positiv sehen lässt. Und dieses Jahr ging es nach Venedig. Anderer Veranstalter – neues Glück? Naja, nicht wirklich. Aber beginnen wir mit den positiven Aspekten:

Venedig ist eine wunderschöne Stadt, in der es vermutlich weder fotografisch noch überhaupt je langweilig werden kann. Meine bisher einziger Kurzaufenthalt lag mindestens 35 Jahre zurück. Es war ein Tagesausflug aus einem der Familiensommerbergurlaube in Südtirol und ich erinnere mich an einen riesigen Markusplatz mit unzähligen Tauben, Sommer, Hitze, Eis, Plateausandalen mit einer Korksohle, Touristenmassen und ziemlich viel bunten Kitsch.

Meine ersten Eindrücke diesmal waren Eisschollen auf der Lagune, aufgrund des trüben Himmels eher gedeckte Farben und ein Markusplatz, der viel kleiner wirkte als der aus meiner Kindheit (und weniger Tauben gibt es inzwischen auch). Die übrigen vier Tage hatten wir aber fast immer Sonne, wenn auch begleitet von Eiseskälte und teilweise noch eisigerem Wind.

Der offizielle Teil der Fotoreise begann mit einer Theoriestunde, ein wenig wirr aus diversen Präsentationen zusammengesucht, aber durchaus informativ und der verheissungsvollen Ankündigung, dass wir ab sofort alle bisher gelernten fotografischen Regeln über Bord werfen sollten. Nach einem Glas Sprizz und einem einigermassen leckeren Abendessen mit Rotwein ging ich daher begeistert und voller Vorfreude ins Bett.

Den ersten Dämpfer fand diese Begeisterung bereits am nächsten Morgen, und damit beginnt das grosse „aber“, das die positiven von den eher nicht so positiven Aspekten der Reise trennt. Nach dem Frühstück gingen wir auf den Markusplatz, um mit dem Weitwinkel Spiegelungen in den durch leichtes Hochwasser verursachten Pfützen zu fotografieren. Ich hätte gerne das Objektiv gewechselt, um ein wenig mehr Details zu fotografieren, aber die Aussage (oder Aufgabe) war „Eine Speicherkarte mit einem Objektiv fotografieren. Nur so lernen Sie Ihr Objektiv wirklich kennen.“ Eine Aussage, die bereits kurze Zeit später ad absurdum geführt wurde, denn da hiess es auf einmal „mit der Brennweite werden Sie dies Motiv aber so nicht fotografieren können“.

Womit wir gleich beim nächsten Punkt wären: es gab Aufgaben in Form von vorgegebenen Motiven, die wir absolvieren sollten. Für jemanden wie mich, der sich seine Motive lieber selber sucht nicht einfach zu schlucken, zumal wenn Teile der Aufgaben darin bestehen, mit Blende 42 Vorder- und Hintergrund gleichmässig scharf abzubilden. Würde ich freiwillig so nie machen, genausowenig wie diverse andere Dinge. Darauf bekam ich zu hören „Sie haben später noch genügend Zeit, frei zu fotografieren“ Hätte ich auch akzeptiert, wenn es wirklich so gewesen wäre, aber der Normalfall an diesem und den Folgetagen sah so aus, dass hinter dem „machen Sie ganz in Ruhe“ fast immer bereits ein oder zwei Minuten später kam „so, können wir dann weiter?“ Unter Ruhe verstehe ich was anderes.

Die Motive, die wir als Aufgaben bekamen, wären teilweise durchaus ungewöhnlich gewesen, aber Fotografieren hat für mich in erster Linie etwas mit Kreativtät zu tun, und das Nachfotografieren vorgegebener Bilder ist in etwa so kreativ wie Malen nach Zahlen. Die Krönung in dieser Hinsicht war eine Spiegelung der Rialtobrücke in der Lampe eines Bootes, die wir fotografieren sollten. Genau dieses Bild hat er 2004 bereits in der FC hochgeladen, und bereits damals war die Lampe ziemlich korrodiert. Jetzt, 8 Jahre später sieht sie nicht wirklich besser aus. Aber das Histogramm war in Ordnung.

Ich habe nichts gegen Beispiele oder Ideen, aber wenn ich gezwungen werden soll, etwas genauso zu wiederholen, ist das für mich kein Lerneffekt in punkt Sehen. Und technische Dinge kann man an allem üben. Um des lieben Friedens willen habe ich – oft sehr lustlos, das sieht man ihnen auch an – die meisten dieser Pflichtübungen absolviert und parallel dazu meine eigenen Fotos gemacht. Ohne Stativ. Das war der nächste Punkt für den ich am letzten Tag richtiggehend zusammengeschissen wurde. Zu dem Zeitpunkt hatte ich aber bereits auf Durchzug geschaltet, denn da war sowieso jede Diskussion überflüssig. „Dazu muss man dann aber auch mal offen sein“ galt offenbar nur in eine Richtung. Und alle Regeln über Bord werfen sollte man wohl nur, um stattdessen seine Regeln zu beachten.

Hochformat. Auch so ein Reizthema. Hierzu war die Aussage sinngemäss „Hochformat ist nur in wenigen Ausnahmefällen sinnvoll, schliesslich haben wir ja zwei Augen nebeneinander“. Hätte das nur mal jemand all den Malern sämtlicher Jahrhunderte gesagt, was wäre uns da an sinnlosem Hochformat erspart geblieben!

Und so bin ich von Tag zu Tag genervter mitgestapft, habe mir aber wenigstens mit Ausreden die eine oder andere „Blaue Stunde“ erspart, denn da bekam man seine Laterne zugewiesen (wenn man Pech hatte mit dickem weissen Schild), und das Frieren beim Warten auf das Angehen der Lampen, um dann ein höchstens mittelmässiges aber definitiv ungewolltes Bild zu produzieren brauchte ich nicht wirklich auch noch.

Das für mich Traurige bei der ganzen Sache ist, dass mir die Freude am Fotografieren und an dieser schönen Stadt in den vier Tagen immer mehr abhanden kam. Das wurde mir so richtig am letzten Abend bewusst, als ich doch nochmal mitging, um die Sache einigermassen mit Anstand hinter mich zu bringen. Wir hatten mal wieder am Wasser Gondeln fotografiert, er war schon vorgegangen, kam dann aber „zusammenpacken! wir haben noch zehn Minuten, um den richtigen Platz zu finden!“ brüllend zurück, woraufhin ich beschloss: das war definitiv der letzte Brüller, den ich mir hier  anhöre. Ich bin dann ganz gemütlich über den Markusplatz zurück zum Hotel, habe noch ein paar letzte Fotos gemacht und dabei für mich Abschied genommen von der Stadt, in der ich hoffentlich nicht zum letzten Mal war.

Der Abschied von den Menschen am darauffolgenden Morgen fiel fast so frostig aus wie die Temperaturen draussen. Anscheinend war es diesmal für niemanden ein wirklicher Erfolg, denn auch die übrigen Teilnehmer waren in ihrer Begeisterung ein wenig hmmm…. verhalten. Ich möchte nicht die fachliche Kompetenz des Fototrainers in Frage stellen (dazu habe ich selber viel zu wenig davon), ebensowenig die gute Absicht, aber die zwischenmenschlichen und vielleicht auch die didaktischen Fähigkeiten kann ich glaube ich schon ein wenig beurteilen. Auch wenn er mir ein paar Wahrheiten gesagt hat, die durchaus noch in mir nachwirken: Der Ton macht die Musik. Mag sein, dass andere (weniger renitente) Teilnehmer das anders sehen als ich und besser damit klarkommen, aber für mich war das ein „einmal und nie wieder“.

Und zur Bekräftigung hat das obige Foto alles, was es nicht soll:
– ohne Stativ aufgenommen
– Hochformat
– nicht das gewünschte Motiv

Die restlichen Fotos folgen.