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Ostseerandschreiben

Oben: Eine bunte Mischung aus einer Woche Ostsee.

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Und ab hier: eine etwas andere Art Bilder

Eine der Aufgaben der vergangenen Woche war, Peter Wehrli nachempfundene Katalogbeobachtungssätze zu schreiben. Beobachten kann ich ganz gut, aber bei den Sätzen wehrte sich etwas in mir gegen die relativ strenge Form:

„Jedes Bild wird nur mit einem einzigen Satz erfasst, dessen Hauptsatz wie ein Katalogtext ohne Prädikat auskommt.“

Jetzt, mit etwas Abstand habe ich mich nochmal an der Umwandlung meiner Beobachtungen in „Katalogsätze“ versucht.

Am besten gefällt mir aber gerade die Auswirkungen, die diese Art zu beobachten auf meine Fotografie hat: gäbe es keinen Satz dazu, wäre es auch kein Foto wert. (Der Konjunktiv deshalb, weil ich weder meine Bilder beschreiben will noch die Texte bebildern.) Mit der Frage nach dem Satz im Kopf finde ich auf einmal viel besser heraus, was mich an einem Motiv oder Nicht-Motiv fesselt.

Und hier die frisch aufbereiteten Sätze:

Die Liegestühle, die sich wellenförmig auf der Seebrücke verteilen, die echten Wellen unter sich imitierend.

Der Horizont, der als eine hellgraue Kante den grauen Himmel vom grauen Wasser trennt.

Das Meer, das sich flaschengrün unter der Seebrücke kräuselt.

Die Möwen, die spöttisch von der Buhne herüberkrächzen und ihre eigenen Sätze bilden.

Die Ritzen zwischen den Planken, durch die sich grau und grün in regelmässigen Abständen abwechseln.

Die Graffiti am grauen Poller, die sich nicht trauen, das allgegenwärtige Grau zu durchbrechen und sanftmonochrom den Protest ihrer Schreiber zum Ausdruck bringen.

Menschen am Strand, die mit hochgezogenen Krägen und Kapuzen dem kühlen Märzwind trotzen, während die Gesprächsfetzen aus ihren Mündern wehen.

Die Frisuren der Reiherenten, die kein Gel benötigen um sich wildstrubellig gegen den Wind aufzulehnen.

Das Schild „Dampfanlegerbrücke für ankommende Bäderschiffe“, das die Frage aufwirft, wo sie denn wieder abfahren.

Das Restaurant „Feuerstein“, das die Schreiberin dieser Sätze überlegen lässt, ob es Wilma und Fred gehört.

Das Hotel „Atlantik“ an der Ostsee, das mich stutzen lässt. Ob es irgendwo am Atlantik wohl ein Hotel „Ostsee“ gibt?

Die Sprung in der Ostsee, nein in der Scheibe, die Strandpromenade von Strand trennt und der die Sinnhaftigkeit dieser Trennwand noch mehr in Frage stellt als ohnehin schon.

Das „Nie“ in Niendorf, das ich lese und sofort danach innerlich zu „sag niemals nie“ korrigiere.



Im Wald

Eine Kreuzung.

Geradeaus: ein schnurgerader, breiter Weg, neulich erst gegangen.
Rechts: ein schmaler Pfad, direkt hinein in den Wald, noch in Erinnerung aus einem anderen Leben.
Links: „zum Forsthaus“, darunter in unsichtbaren Buchstaben „bitte hier entlang“

Es riecht gleichzeitig nach Spätsommer und Herbst, Sonnenlicht fällt durch nochgrünes, langvertrocknetes und schonbuntes Laub, das Ende des Tages naht bereits am Nachmittag, die Sonne wird früh müde.

Hinter dem Forsthaus abermals eine Entscheidung: geradeaus die offenen Felder, nach rechts geht es wieder weiter in den Wald hinein. Dort wird es stiller und dunkler, die Bäume stehen dichter und gucken strenger. Leichtes Frösteln auf der noch sonnenwarmen Haut, dort wo die Schweißperlen gerade erst getrocknet sind.

Noch dunkler wird es, das Blinken der Sonnenflecken seltener, abweisender der Wald. Wisperndes Schweigen, ich zeig mich nicht, du siehst mich nicht. Augen in der Stille, Ohren im Dunkel, Geruch von Zweifel und Verzweiflung, nicht mal mehr Schatten bleiben.

Dann doch wieder Licht, erst nur vereinzelte glitzernde Punkte, aber von Meter zu Meter breiten sie sich aus und leuchten intensiver. Nur wenige Schritte weiter mündet der Weg in den Hauptweg, zurück zum Parkplatz.