Literarische Kalendertürchen 16/??

Es klingelte. Elfie öffnete die Tür – in ihrem kuscheligsten Hoodie, Jogginghose und mit Maulwurfspantoffeln an den Füßen. Davor standen gleich vier Weihnachtsmänner in voller Montur. Die vier und Elfie sahen sich einen langen Moment gegenseitig von oben bis unten an, bis die Stille ohrenbetäubend wurde und Elfie losgackerte.

„Ach du Schande, das habe ich ja ganz vergessen, und dann noch gleich vier von euch, die habe ich aber nicht bestellt.“

„Wir wissen auch nicht, wie das passieren konnte, in der Weihnachtsmannzentrale geht keiner ans Telefon, anscheinend haben wir alle den Auftrag für dieses Haus bekommen“, sagte der größte von den vieren, und er und die übrigen zückten ihre Handys, um zu beweisen, dass sie sich weder in Datum (schwer möglich) noch Ort getäuscht hatten.

Elfie seufzte. „Dann kommen Sie doch erstmal herein, und wir klären das im Warmen. Stiefel ausziehen, bitte!“

Vier unterschiedlich bestrumpfte Weihnachtsmänner folgten ihr ins Wohnzimmer, das gemütlich, aber keinesfalls weihnachtlich geschmückt oder beleuchtet war. Elfie servierte Tee (was auf den Teebeutelanhängern stand, konnte bei der schummrigen Beleuchtung keiner lesen) und Kekse und begann zu erzählen.

Eigentlich hatte ihre Schwester mit den beiden Kindern über Weihnachten zu Besuch kommen wollen, weshalb Elfie schon seit Wochen geplant, besorgt, geputzt und vorbereitet hatte. Ein paar Tage vorher hatte sie die Schwester noch einmal angerufen, um die aktuellen Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Lieblingsessen der Gäste abzufragen. „Ach, haben wir dir gar nicht Bescheid gesagt?“, hatte die Schwester gefragt. „Wir fahren jetzt doch über Weihnachten nach Bayern zu Torstens Familie“ Nachdem Elfies erster Zorn verraucht war, hatte sie angefangen, sich auf ein gemütliches Weihnachten allein zu freuen. Ohne Kindergeschrei, Geschenkoverkill und Feiertagsfrust. Stattdessen mit Rotkraut und Knödeln, aber ohne Gans, „Kevin allein zu Haus“ und Marzipankartoffeln und Buch auf der Couch. Nur die Weihnachtsmannbestellung abzusagen hatte sie vergessen.

„Rotkraut“, sagte Weihnachtsmann 1 sehnsüchtig

„mit Knödeln“, sagte Weihnachtsmann 2 nicht weniger sehnsüchtig

„’Kevin allein zu Haus‘, den Film habe ich ja schon ewig nicht mehr gesehen“, sagte Weihnachtsmann 3 und Weihnachtsmann 4 schielte stumm in Richtung der Schale mit den Marzipankartoffeln.

„Sie haben doch bestimmt noch Termine heute?“, fragte Elfie und hoffte, dass das nicht zu ungastlich klang.

Aber alle vier versicherten ihr, dass dies hier ihr letzter Auftritt für dieses Jahr gewesen sein sollte. Elfie seufzte.

Eine halbe Stunde später waren Weihnachtsmann 1 und 2 in der Küche mit der Zubereitung von Rotkraut und Knödeln beschäftigt, während Weihnachtsmann 3 den auf der Terrasse stehenden Baum hereinholte und ihn „Oh Tannenbaum“ summend mit allem schmückte, was Elfie bereitgestellt hatte. Weihnachtsmann 4 deckte derweil den Tisch. Elfie musste nur gemütlich auf der Couch sitzen und allenfalls kurze Anweisungen geben, was sich wo befand.

„Oh, Scrabble!“, rief Weihnachtsmann 4 erfreut, als er die Servietten herausnahm und dahinter die Schachtel entdeckte. „Genau das Richtige für später“. Elfie seufzte.

„Als Erstes gucken wir ‚Kevin allein zu Haus‘“, bestimmte Weihnachtsmann 3.

„Aber vorher wird gegessen“, sagte Weihnachtsmann 1, der gerade mit der dampfenden Knödelschüssel hereinkam.

Zwei Stunden später waren Rotkraut und Knödel verspeist, der Film geguckt. Die vier Weihnachtsmänner hatten gemeinschaftlich den Tisch abgeräumt und den Abwasch erledigt, und alle fünf hatten sich prächtig dabei unterhalten. Elfie wusste jetzt mehr über das Weihnachtsmannbusiness, als sie je gewusst haben wollte, und bei allen Erzählungen der vier stellte sie immer wieder fest, dass es wesentlich Schlimmeres gab, als Weihnachten allein zu verbringen.

Elfie setzte sich wieder zu ihrem Buch auf die Couch, als die vier mit dem Scrabblespiel begannen und sich natürlich schon nach 10 Minuten über die Bedeutung eines von Weihnachtsmann 3 gelegten Wortes stritten. Die Geräuschkulisse im Hintergrund in Zusammenarbeit mit ihrem wohl gefüllten Magen sorgte dafür, dass sie immer müder wurde. Sie merkte gerade noch, dass einer der vier eine Wolldecke über sie legte, dann musste sie wohl eingenickt sein.

Als sie wieder wach wurde, war die Wohnung leer. Kurz dachte sie, sie hätte die vier Weihnachtsmänner nur geträumt. Aber da waren der geschmückte Baum und die ordentlich eingetupperten Reste von Rotkraut und Knödeln im Kühlschrank. Die Schale mit den Marzipankartoffeln war bis auf eine einsame Anstandskartoffel leer. Aber jemand hatte daneben eine große Tüte mit selbstgebackenen Plätzchen gestellt. „Frohe Weihnachten“ stand darauf und „danke für das schöne Fest“.