„Goldene Eier, jeden Tag nur goldene Eier. Wenn ich wenigstens ganz normale Eier legen und sie ausbrüten könnte“, grummelte sie und watschelte über den Hof des Zauberers, hin bis zum Schuppen, zurück zum Teich, wieder zum Schuppen. Nein, sie hatte jetzt keine Lust zu schwimmen, das Wasser war ohnehin viel zu kalt heute. Andererseits würde es aber die Hitze in ihrem Innern kühlen, diese Unzufriedenheit, die immer stärker wurde. Augen auf bei der Identitätswahl – hätte sie mal auf ihre Eltern oder Lehrer gehört. Jetzt klemmte sich auch noch ein Steinchen zwischen ihre Schwimmhäute, genau da, wo sie so schwer mit dem Schnabel hinkam. Nein, so ging es nicht weiter, sie brauchte einen Termin beim Chef.
„Donnerstag in acht Tagen frühestens“ näselte das arrogante Vorzimmerschwein.
Sie war schon fast wieder zur Tür hinaus, als sie beschloss, diesmal nicht klein beizugeben.
„Wenn dein Chef weiter goldene Eier will und ich ihm nicht erzählen soll, was du am Wochenende so mit den anderen Schweinen treibst, bekomme ich heute noch einen Termin.“ Zur Bekräftigung pickte sie mit dem Schnabel bei jedem Wort auf den Schreibtisch, bis die Tinte aus dem Tintenfass spritzte, hinauf zum Rüssel des Sekretariatsschweins, der sich schnell von rosa nach schwarz verfärbte.
Zehn Minuten später saß sie im Büro des Zauberers.
„Was kann ich denn für dich tun?“, fragte er und sah sie gönnerhaft von oben herab an. Der Bommel seines Zauberhuts wippte freundlich auf und ab.
„Ich würde mich gerne beruflich verändern. Diese ganze „Goldene Eier legen“ wird mir auf Dauer doch zu eintönig. Ich glaube, ich habe da noch andere Fähigkeiten, die ich gerne einsetzen würde.“
„Hmmm …“ Der Zauberer blätterte in einer umfangreichen Kartei. „Das sieht gar nicht gut aus. Fast alle Positionen sind besetzt und wir brauchen dich doch da, wo du jetzt bist, dringend.“
‚Wohl eher meine Eier‘, dachte sie und sah ihm weiter beim Blättern zu.
„Wie wäre es mit dem Hasen, der geht bald in Rente. Da müsstest du aber schnell und viel laufen.“ Mit einem kritischen Blick auf ihre kurzen Beine und die platten Füße hatte er schon fast weitergeblättert.
„Fliegen geht nicht?“, fragte sie schüchtern
„Nein fliegen geht nicht als Hase, dann müssten ja so viele Märchen und Geschichten umgeschrieben werden und wo kämen wir da hin.“ Der Bommel wippte energisch.
„Die Ente wäre gerade frei, ist schon wieder zum Schwan geworden, aber eine langfristige Perspektive hättest du da auch nicht.“
„Und wie wäre es mit einem Drachen?“ Sie wäre so gerne ein Drachen, ihre Stimme wurde ganz leise, aber sie würde nicht ohne eine neue Stelle hier rausgehen.
Das Lachen des Zauberers war eindeutig, auf dieser Position sah er sie auch nicht. Sie spürte, wie irgendwo ganz tief drinnen sich ein paar Tränen bildeten und ihre Kehle hinauf wollten, aber bevor sie oben ankommen konnten, schluckte sie sie tapfer wieder herunter.
„Doch, das hier könnte was sein“ Er sah sie prüfend an „Du müsstest eine längere Reise unternehmen und jemanden dabei transportieren und beschützen. Wäre es ok, wenn du Martina heißt? Du könntest sonst auch ein Gänserich sein und Martin heißen.“
Sie horchte auf, eine längere Reise, das hörte sich verheißungsvoll und spannend an.
„Martina gefällt mir“, sagte sie.
„Wollen mal sehen, mit ‚suchen – ersetzen‘ sollte das fix erledigt sein.“
Bereits am darauffolgenden Tag war sie an ihrer neuen Wirkungsstätte angekommen und wenn sie nicht gestorben ist, dann lebt sie dort heute noch/wieder glücklich und zufrieden.